Frühlingshafte Grüße!
- Dorothea Sträßner
- 7. Nov. 2015
- 8 Min. Lesezeit
Herzlich Willkommen mal wieder in meinem Blog! (:
Kaum, dass ich mich versehe, sind die ersten drei Monate auch schon rum. Über ein Viertel ist schon „geschafft“. Ich benutze dieses Wort bewusst, setze es aber auch in Klammern. Vor allem die Arbeit im Children Care Centre und die neue Lebenssituation mit WG, Haushalt und allem was dazu gehört haben mich mehr herausgefordert und auch belastet, als ich es mir vorher vorgestellt hätte. Auch wenn man uns eingebläut hat, Südafrika und Deutschland nicht zu sehr zu vergleichen, so komme ich doch nicht drumherum, den Komfort von zuhause mit meiner Familie, meinen Freunden, einer Dusche, kurzen Wegen zu Arbeit und Läden… zu vermissen. Auf der anderen Seite gibt es aber glücklicherweise auch einige Dinge, die mich immer wieder positiv überraschen. Dazu gehört an aller erster Stelle, wie offen und herzlich so viele Menschen hier auf einen zukommen und einen wirklich Willkommenheißen. Klar gibt es da dann tiefere und nicht so tiefe Gespräche und weiteren Kontakt, aber es ist ein tolles Miteinander und meine WhatsApp-Kontaktliste ist definitiv gut gefüllt, genauso wie mein Kalender meist weiterhin. In letzter Zeit haben die Ausflüge wegen der zunehmenden Routine etwas abgenommen, aber ich bin mir sicher, dass ich noch das eine oder andere von Südafrikas wirklich atemberaubender Natur erleben darf. Es ist also weiterhin sehr bewegt und was ich erlebt habe, könnt ihr wie immer im Folgenden lesen:
Mittwoch, 14. Oktober: Heute bin ich das erste Mal mit dem Taxi aus der Innenstadt herausgefahren um in Durban North den Hauskreis einer Bekannten zu besuchen. Bis vor kurzem wusste ich gar nicht, dass es eine Verbindung aus der City heraus gibt! Besonders komfortabel ist die aber auch nicht. Diese „cell group“ war dann auf jeden Fall ein Erlebnis. Wie ich es bisher auch erleben durfte, gehen die Menschen hier unglaublich offen und leidenschaftlich mit ihrem Glauben um. Da wird nicht einfach nur Lobpreis gesungen, sondern jeder bringt seine spontanen kurzen Gebete mittendrin ein, es wird getanzt und auch der Input war sehr tiefgründig.

Montag, 19. Oktober: Heute habe ich das erste Mal mit Lungi Deutschunterricht gehabt. Sie wird Mitte Februar einen Freiwilligendienst in Hamburg antreten, und so ist sie über das global eXchange Netzwerk meine „Deutschlernpartnerin“. Schon gar nicht so einfach, jemand anderem auf einmal die eigene Sprache beizubringen!
Dienstag, 20. Oktober: Unten gehe ich noch genauer darauf ein, aber heute war mein erster Tag als Freiwillige bei TREE! Mein Kopf hat sich nur noch gedreht, von allen neuen Leuten und Informationen, aber ich habe mich auf jeden Fall pudelwohl gefühlt und freue mich auf die neuen Leute und Aufgaben.

Donnerstag, 22. Oktober: Heute haben wir eine Mikrowelle von einem Gemeindemitglied der Lutherkirche geschenkt bekommen, und dann sind wir auch noch einen neuen Kühlschrank kaufen gefahren! Vor allem, wo es jetzt auf den Sommer zugeht, ist es doch angenehm wenn der Kühlschrank auch ohne Panzertape schließt und nicht leckt. Hier in Durban muss man nämlich vor allem im Sommer einfach alles kühlen, auch Brot etc. Es wird sehr heiß und vor allem auch schwül werden. Abends haben wir dann, über Ferdinands Chefin und ihre Verbindungen, kostenlos eine wundervolle Aufführung der Carmina Burana von Carl Orff durch das KwaZulu-Natal Symphony Orchestra und den Symphony Choir in der City Hall sehen dürfen. Gerade, weil wir mit meinem Schulchor Auszüge daraus auf Konzerten und Wettbewerben gesungen haben, war das ein ganz besonderer Abend und die Carmina Burana ist definitiv keine langweilige Klassik.

Freitag, 23. Oktober: Heute hat sich unsere Freundin Kayla auf einer großen Abschiedsfeier in einen dreimonatigen Au-Pair-Aufenthalt in Singapur verabschiedet. Es zieht halt doch nicht nur Deutsche in’s Ausland!

Samstag, 24. Oktober: Morgens habe ich bei einer großen Obdachlosenspeisung geholfen, die in einem Kirchenhof in der Point Road Area stattfand, wo ja auch das CCC ist. Um neun Uhr haben wir uns getroffen, um alle Tische und das gespendete Essen aufzubauen. Dann sind wir in Kleingruppen durch das Viertel gelaufen, um Leute zum Lunch einzuladen und sie zu bitten, so viele Leute wie möglich mitzubringen. Dabei waren wir auch in einem Shelter, was sehr interessant war. Das sind Obdachlosenheime, für die man hier ca. 1,50€ bis 3€ pro Nacht bezahlen muss. Dort gab es dann Strom, kaltes und warmes Wasser und die Leute leben in kleinen möblierten Zimmern, die durch Holzwände voneinander getrennt sind. Um elf Uhr haben wir dann angefangen das Essen auszuteilen, welches massenhaft gespendet wurde. Erst kamen die Kinder dran, dann abwechselnd Frauen und Männer. Nach ca. einer Stunde war dann tatsächlich alles leer, und ich kann wirklich nicht sagen, wie viele Leute mit Essen versorgt werden konnten. Es waren viele!
Montag, 26. Oktober: Heute haben wir einen Wholeness-Course in der Grace Church begonnen, wo es an vier Monaten daran gehen wird, wie der Menschliche Körper, Geist, Kopf… zusammenarbeiten und was das wohl mit Gott und dem Glauben zu tun hat. Da ging es heute beispielsweise um menschliche Grundbedürfnisse wie Liebe, Bedeutsamkeit und Wert.

Mittwoch, 28. Oktober: Heute wurden bei TREE die frisch ausgebildteten Erzieherinnen in einer Graducation ceremony gefeiert! Das war ein tolles Fest mit Reden, Essen, traditionellen Zulu-Tänzern…
Freitag, 30. Oktober: Zwar ist Südafrika nicht Weltmeister geworden, aber das Spiel um Platz 3 haben Maxi und ich uns dann doch im Pub um die Ecke angeschaut. Der dritte Platz ist nur immer so undankbar!
Samstag, 31. Oktober: Spontan wurde ich nach dem Zuluunterricht von einer anderen Kursteilnehmerin, Lise, zu ihr nach Amanzimtoti eingeladen! Das ist etwa eine halbe Stunde südlich von Durban. Dort habe ich dann den Tag mit ihr, ihrem Mann und ihren drei Kindern von 17 bis 20 Jahren verbracht. Sie haben mir den Strand gezeigt und abends bin ich mit zu einem großen Braai mit mehreren anderen Familien gekommen, um das Rugby-Finale zu schauen, das Neuseeland gewonnen hat.
Sonntag, 1. November: Morgens hat mich Lise mit zu ihrer Gemeinde genommen. Die Oasis-Church ist eine recht neue Gemeinde, die sich in der örtlichen Grundschule trifft, und recht modern und (gar nicht selbstverständlich!) rassisch gemischt ist. Dann habe ich noch den Tag bei der Familie genossen, bevor es am späten Nachmittag zurück nach Durban ging.
Mittwoch, 4. November: Heute hatten wir abends kurz Betty und Charlotte zu Besuch, die in Richmond, ca. 2 Stunden entfernt und sehr ländlich, mit einer anderen Entsendeorganisation in einem Kinderheim volontieren.
Donnerstag, 5. November: Heute habe ich das erste Mal Ferdi zur Students‘ Group der Grace Church in Umhlanga begleitet, sehr coole Leute!
Thema #9, Bevorzugung und Benachteiligung in Ausbildung und Beruf: Um euch über dieses doch recht politische Thema ein Fallbeispiel gegeben, habe ich Matt gebeten, einmal das System kurz zu skizzieren. Er ist seit kurzem mit dem Medizinstudium fertig, das er aber fast nicht hätte anfangen können. Trotz sehr guter Schulleistungen konnte er als männlicher Weißer muss man nämlich häufig erstmal warten, bis Quoten nach Geschlecht und Hautfarbe erfüllt sind. “When applying to study medicine at a university in South Africa, one needs to be prepared to fight a small battle. With only eight institutions to apply to, who of which have recently closed their doors due to student strikes, aspiring doctors need to make sure they more than tick all the boxes of each university's admission requirements in order to stand the chances of gaining entrance. Granted, this is true for most countries when applying to an esteemed course. But something stands out within in the South African system - a certain criterion unique to racial hostility that laces the history of this culturally diverse country - the criterion of one’s race. With various institutions offering placing weights for different races, one needs to be familiar with the specific criteria for each university and strategically fill in one’s application accordingly. The system is set in place in an attempt to correct the wrongs of apartheid under which black persons were denied access to the majority of medical schools and other faculties of universities based on their race. The hope is that by empowering people who were previously disadvantaged, the concept of white supremacy will be aborted and equality will reign. The sad thing is however that this system does not promo toe equity, but rather subjects people to racial discrimination. While some believe it fair to allow someone entry to university to one with candidate with a lower mark than another because of his race, other argue that this is in fact unfair and goes against the very principle of equality that political heavy weights like Nelson Mandela fought so hard for. The argument that such laws are unconstitutional in South Africa however have little legal backing. The South African constitution, while renowned for being among the most forward thinking and liberal pieces of legislature in practice today, has a clause which states that all legislature there in be interpreted in a reformatory nature. In other words, the constitution must always be cognoscente of South Africa's political background, and aim to correct the wrongs of the past. Although twenty years on from the atrocities of apartheid, the wounds incurred remain fresh for some, and run very deep. It seems that the young white South Africans - who had little to do with apartheid directly, but benefited indirectly - are those who will now bear the brunt of their forefathers' errors. In my humble opinion, unless the government targets primary education and improves this rather than disadvantaging those who have already achieved well in primary and secondary level education, the cycle will continue and only the select few will benefit.”
Thema #10, TREE 2.0 – meine neues „Teilzeitprojekt“: Seit voryletzter Woche bin ich nun dienstags und mittwochs nicht mehr im CCC, sondern bei TREE. Wer sich nicht mehr an die Beschreibung des Projekts erinnerteder Abteilung „Programs“ eingesetzt sein und dort bei „ECD-enabling Environment“. Diese Abteilung kümmert sich um Programme, die nicht in Kindergärten stationiert sind. Dazu gehören Spielgruppen, Hausbesuche und „Community Toy Libraries“, mit denen ich arbeiten werde. Toy Libraries sind kleine Gebäude in Gemeinden, wo die Eltern sich kein, nicht genügend oder kein vernünftiges Spielzeug für ihre Kinder leisten können. Die Kinder können dorthin kommen und unter Aufsicht einer Bibliothekarin mit den verschiedenen „Educational Toys“, die TREE stellt, spielen. Die Eltern können auch Spielzeugsets für zuhause ausleihen. Außerdem gehören zu den Libraries auch Wassergewinnungsanlagen und kleine Gärten, um die Grundversorgung der Kinder zu unterstützen. TREE möchte eine umfassendere Dokumentierung darüber anlegen, wie es in den einzelnen Toy Libraries so läuft. Da werde ich dann mit eingesetzt. Wir werden Toy Libraries in den ländlichen Regionen besuchen um herauszufinden, was an Ressourcen und Unterstützung oder auch Neuerungen gebraucht werden kann. Im Büro werde ich dann einerseits darüber Berichte schreiben, andererseits aber auch im Spielzeugladen mitarbeiten, damit ich mich gut mit dem Spielzeugangebot von TREE auskenne. Offiziellere und exaktere Informationen findet ihr hier im Jahresbericht.
Was jetzt nach der Anfangseuphorie ganz banal anfängt: Geldsorgen. Langfristig kann man wohl doch nicht ganz so viel unternehmen, wie am Anfang und v.a. die Transportkosten summieren sich ganz schön. Das bekomme ich aber irgendwie hin, und ich bin davon überzeugt, weiterhin vieles erleben zu dürfen und zu können. Vielfach fängt es jetzt auch an, dass man gar nicht an sich neue Orte kennenlernt, sondern einfach etwas Schönes mit Leuten unternimmt, wie man es zuhause auch tun würde, sodass meine Erlebnisberichte meinem Empfinden nach ein wenig kürzer ausfallen.
Kürzlich war auch mein erster von drei Rundbriefen an meine Förderer fällig. Wenn ihr euch für diesen interessiert, schreibt mir einfach eine Nachricht mit eurer E-Mail-Adresse! Ich denke an euch und freue mich wie immer über jegliche Nachfragen, was genau ich denn mache oder wie genau es mir geht.
Liebste Grüße aus einem in den letzten Tagen recht stürmischen Frühling,
Doro
102 Tage in Durban noch 264 Tage
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