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Neue Grüße aus Durban

  • Autorenbild: Dorothea Sträßner
    Dorothea Sträßner
  • 23. Nov. 2015
  • 7 Min. Lesezeit

Hey, howzit?

Somit habe ich hier eine weitere längst überfällige südafrikanische Redewendung eingebracht. Hier geht es jetzt mit Riesenschritten auf Weihnachten zu, und ich muss sagen, ich freue mich schon sehr auf die freie Zeit und darauf, ein bisschen weg zu kommen. Zwar haben wir weiterhin jede Woche mal regelmäßige, mal besondere Veranstaltungen, aber irgendwie sehne ich mich dann doch danach, mal wieder aus der Stadt rauszukommen. Zwar gibt es in den Läden etc. Weihnachtsdeko – unsinnigerweise mit Schnee und allem – aber Weihnachten ist doch nicht so präsent wie in Deutschland, etwa in Straßendekorationen, Radiomusik oder überhaupt der Stimmung. Das Wetter passt wohl nach meiner europäischen Prägung einfach nicht und so wie ich es bisher mitbekommen habe, ist Weihnachten hier auch nicht so ein großes Ding wie in Europa. So gebe ich mir hier weiterhin Mühe, mich beschäftigt zu halten, um meine Zeit schön zu nutzen. Ich merke inzwischen echt, was für ein Vakuum meine Verpflichtungen und Hobbies hinterlassen haben (Schule, Cheerleading, Chor, kirchliche Jugendarbeit…). Da fühle ich mich momentan etwas ruhe- und aufgabenlos, da vor allem die Tage im CCC mich inhaltlich und zeitlich einfach nicht wirklich fordern. Wie das mit dem Zeit ausnutzen in den letzten zwei Wochen geklappt hat, lest ihr hier:


Samstag, 7. November: Nach dem Zuluunterricht ging es mit Maxi und Ferdi zum I-Heart-Market, auf dem ich das letzte Mal ganz am Anfang war, vor mittlerweile drei Monaten. Dort haben wir unsere Mitfreiwilligen Anne und Jacqueline sowie vier weltwärts-Freiwillige aus Pietermaritzburg getroffen. Ein Teil von uns hat sich anschließend noch auf zum Victoria Street Market gemacht. Zwar war ich an beiden Orten schon, aber es war doch wieder schön und ein paar Leute dürfen sich jetzt schon auf Mitbringsel in acht Monaten freuen! Abends war ich dann zu Róisíns Geburtstagsfeier eingeladen, einer Bekannten vom Cheerleading, und ich hatte wirklich viel Spaß!


Sonntag, 8. November: Spontan ging es mit Maxi, Ferdi, Jürgen und seiner Freundin Elana mit Gratistickets zum Kricket! Es war für mich das erste Mal, diesen dritten Nationalsport neben Fußball und Rugby zu sehen. Im Prinzip ist das ganze wie Brennball. Wir waren bei der kürzesten Art von Spiel, aber auch das hat ca. 3 Stunden gedauert und so haben wir es uns mit den andern Zuschauern auf Campingdecken und –stühlen mit Snacks gemütlich gemacht.


Freitag, 13. November: Heute habe ich mich mit Cindy, die ich über die Grace Church und Ferdi kennengelernt habe, kurz getroffen und wir durften am Strand das Meer in einer seiner schönsten Farben erleben.


Samstag, 14. November: Heute war das erste richtige Vorbereitungstreffen für die Süd-Nord-Freiwilligen, die ab Februar in Hamburg sein werden. Da geht es u.a. um die kulturelle Vorbereitung, so wurde ihnen heute beigebracht, dass Deutsche ihre warme Mahlzeit mittags zu sich nehmen, das gemeinsam am Esstisch und dass Augenkontakt sehr wichtig ist, wohingegen das bei den Zulus als unhöflich angesehen wird. Diese Außensicht auf einen selbst zu sehen ist wirklich interessant, und das mit dem Augenkontakt war mir vorher noch gar nicht aufgefallen!

Mittwoch, 18. November: Heute Abend waren wir bei der Young Adults Night der Grace Church. Dabei gab es eine lange Einheit Worshiplieder, es gab Pfannkuchen, Donuts, Tee, Kaffee und ganz viel Gelegenheit, mit den anderen Leuten zu reden, immer wieder angenehm!

Donnerstag, 19. November: Da ich kürzlich herausgefunden habe, dass die Taxis zum Fitnessstudios doch länger verkehren als gedacht, und es im Tarif mit drin ist, habe ich heute Tai Bo ausprobiert. Der Muskelkater fing auf der Stelle an, das ist echt kein Zuckerschlecken! Aber gut für den Körper allemal. Die anderen Frauen haben mich gleich eingeladen, sie am nächsten Tag wieder im Fitnessstudio zu treffen!


Samstag, 21. November: Mein erstes tradtionelles Zulufest! Heute waren wir zu Lungiles uMemulo eingeladen, und das war wirklich ein tolles Ereignis! Ein Memulo ist die Geburtstagsfeier zum 21. Geburtstag eines Zulumädchens, wenn sie dann noch Jungfrau ist, was wirklich etwas Besonderes ist, da viele Zulufrauen in diesem Alter schon Kinder haben. Einerseits wird also ihre Tugendhaftigkeit geehrt, andererseits wird sie endgültig in’s Erwachsenenalter entlassen. Gefeiert wurde bei ihrer Familie im Township Gamalakhe Whitecity in der Nähe von Port Shepstone, mit dem Taxi etwas mehr als eine Stunde südlich von Durban. Im Garten stand ein großes Zelt, und im ersten, moderneren Part, haben Familie, Freunde und Nachbarn sich einige Reden angehört, während Lungile mit zwei Freundinnen an einer Tafel vorne saß in hübschen kurzen Abendkleidern. Lungiles Haare wurden extra kurzgeschnitten, um ihren neuen Status als Erwachsene zu zeigen. Gesprochen haben etwa der Pastor, der Jugendleiter, die ehemalige Sonntagsschullehrerin, Lungile selbst… Besonders gelobt wurde sie für ihren Gehorsam, dass sie nach Durban zum Studieren gegangen ist und trotzdem tugendhaft zurückgekehrt ist, und es wurde ihr auf den Weg gegeben, in Zukunft nicht jede Tür, die sich ihr öffnet, zu durchschreiten und Verantwortung zu übernehmen für ihre Eltern. Sie hat uns auch als ihre Ehrengäste vorgestellt und wir wurden gegen Ende dieses ersten Parts nach vorne an die Tafel geholt! Als nächstes verschwand Lungile mit ihren beiden Freundinnen, um in traditionelle Kleidung zu wechseln. Währenddessen gab es für uns Essen, u.a. Fleisch von der extra für den Anlass geschlachteten Kuh, und einige Gäste haben getanzt zur Musik die lief. Dann kam der eigentliche traditionelle Teil. Lungile kam zurück, jetzt in einem weißen Rock und mit weißem Zuluperlenschmuck, mit einem Teil der Eingeweide der Kuh um ihre Schultern und mit rötlicher Farbe angemalt, außerdem hatte sie eine Art Stab in der Hand. Die Haare waren jetzt ganz ab. Jüngere Mädchen aus der Nachbarschaft, alle in ihren meist rot oder schwarz gehaltenen traditionellen Röcken und Schmuck, haben getrommelt und gesungen, und Lungile hat im Kreis der Gäste getanzt. Wenn sie sich dann vor einem hingekniet hat, musste man ihr einen Geldschein in das Kopfband stecken. Nach und nach haben dann einige der Mädchen auch kurze Solotänze vorgeführt, bis sie am Ende gemeinsam getanzt haben. Dieses traditionelle Tanzen heißt ukusina. Einen Teil eines solchen Tanzes könnt ihr hier im verlinkten Video sehen. Damit war der offizielle Teil vorbei, es gab noch die Geburtstagstorte und Limonade, bevor die Gäste dann einfach noch ein bisschen zusammensaßen.


Sonntag, 22. November: Heute habe ich einen längst überfälligen Punkt von meiner Wunschliste abgehakt – ich war nach vier Monaten endlich in Durban nicht nur am Strand, sondern bin auch in’s Wasser gegangen! Abends gab es dann bei der Grace Church den Thanksgiving-Gottesdienst. Während der vergangenen Wochen konnte man große Eimer kaufen, in denen eine Einkaufsliste mit Grundnahrungsmitteln lag. Diese konnte man dann einkaufen und den gefüllten Eimer zum Thanksgiving-Gottesdienst zurückbringen. Die ganze Bühne war voll! Rechtzeitig zu Weihnachten werden diese dann an arme Gemeinden ausgeteilt.

Thema #11, Gold- und Silberzähne: Als ich Freiwillige getroffen habe, die erst seit kurzem hier sind, haben die mich auf etwas aufmerksam gemacht, woran ich schon fast gewöhnt bin: Viele Zulus haben hier sehr auffällige Silber- oder vorzugsweise Goldinlays oder sogar komplette Zähne. Zum einen kann man das teilweise bestimmt auf die schlechte Zahnhygiene zurückführen, im Children Care Centre haben die allermeisten Kinder offensichtlichen Karies, vor allem ist es aber in dieser Kultur ein Statussymbol. Gerade deshalb werden Goldinlays bevorzugt, da diese auf einen gewissen Wohlstand hinweisen. Angeblich ziehen manche Leute sich sogar gesunde Zähne, um diese dann durch Goldzähne zu erstetzen. Wenn das Geld dafür dann doch nicht da ist, laufen sie eben mit Lücken rum. Das soll aber nicht heißen, dass Zulus sich nicht die Zähne putzen! Die meisten, die ich persönlich kenne, haben einwandfreie Zähne.

Thema #12, African time: Das altbekannte Klischee: „Afrikaner sind immer zu spät.“. Dazu vielleicht erstmal ein interessanter Ansatz, den Ferdi letztens gelesen hat. In Europa richten wir uns nach der Zeit als eine unabhängige Macht, sichtbar auf Uhren. Wenn wir uns treffen, dann beginnt das zu einer festgesetzten und durch die Uhr feststellbaren Uhrzeit und man hat sich mehr oder weniger danach zu richten, zu dieser Uhrzeit fängt das Treffen an. In afrikanischen Kulturen ist es aber laut diesem Buch so, dass Zeit sich nicht anhand der Uhr, sondern in Erlebnissen misst. Das heißt, das Treffen beginnt, sobald genügend Menschen da sind, und das ist dann okay so. Tatsächlich scheinen viele Südafrikaner, weiße wie v.a. schwarze, allgemein etwas entspannter mit der Zeit zu sein. Das drückt sich aber weniger krass aus, als man es vorher vielleicht erwartet hätte. Südafrika ist aber zugegebenermaßen auch in einigen Bereichen recht westlich, vor allem die Großstadt Durban, wenn man es mit anderen Ländern vergleicht. Arbeitszeiten beispielweise werden auch hier nach der Uhrzeit gemessen und bei TREE wird sich mit Uhrzeit morgens ein- und nachmittags wieder ausgetragen. Wenn man sich zu einer Uhrzeit verabredet, dann ist man auch ca. dann da und muss nicht etwa eine halbe Stunde warten. Die Toleranzschwelle für zu spätkommen ist aber doch ein wenig höher, als in Deutschland, vielleicht so 10-15 Minuten, bevor es die Leute ansatzweise stört. Die größten Unterschiede im Zeitverständnis habe ich bei Gottesdiensten erlebt. In der ursprünglich deutschen, jetzt gemischten, Lutherkirche und in der vorwiegend weiß-indischen Grace Church beginnen diese recht pünktlich, vielleicht mal zehn Minuten später. In der Zulu-Gemeinde St. Michael’s fängt sich die Kirche hingegen erst wirklich an zu füllen, wenn der Gottesdienst offiziell los geht. Wenn wir schon beim Thema Zeit sind, ein kurzer Exkurs in’s südafrikanische Englisch: „now“ – heißt wie zu erwarten „jetzt“. „Now now“ heißt nicht etwa „jetzt sofort“, sondern vielmehr „gleich/nacher/wenn ich das hier fertig habe“. „Just now“ habe ich zu Beginn fälschlicherweise mit „jetzt gleich“ übersetzt. Falsch. Ganz falsch. Es bedeutet eher so etwas wie „später, irgendwann, wenn ich mal Zeit und Lust habe, vielleicht auch gar nicht, erinner mich nochmal dran oder mach’s selbst, das kann noch dauern“.

Vielleicht liest man es der Einleitung an, aber momentan ist es ein wenig mühsam hier, weshalb ich versuche trotzdem einiges zu unternehmen. Wenn bald die Prüfungsphasen an Schulen und Unis vorbei sind, sind bestimmt auch mehr local friends verfügbar! Auf dem Vorbereitungsseminar wurde uns für ca. diese Zeit eine große Heimwephase prognostiziert, vielleicht ist das meine Interpretation davon. Ich habe nicht direkt Heimweh, ich weiß, dass es mir hier ganz gut geht und ich noch einiges zu sehen und erleben habe und einige Leute näher kennenzulernen, aber ich denke momentan doch mehr an euch, als in den Wochen zuvor. Da spielen bestimmt auch die Ereignisse seit den Terrorattacken in Paris mit rein. Es ist schon beklemmend, bei Facebook, von Freunden und von der Familie zu erfahren, was zuhause passiert und dabei so weit weg zu sein. Die Gedanken rangieren zwischen „Ich sollte jetzt zuhause sein.“, „Da passiert Geschichte, und ich bin nicht da.“, „Gut, dass ich so weit weg von dem Ganzen bin.“ und „Wer hätte gedacht, dass Südafrika zumindest hinsichtlich der Terrorgefahr und zumindest momentan sicherer ist als Europa?“.

Noch ist mein erster Rundbrief noch nicht verschickt. Wenn ihr also eine kompakte Übersicht über meine ersten drei Monate haben wollt, schreibt mir einfach und ich leite euch den Rundbrief weiter!

Ich hoffe wirklich, es geht euch allen gut und ihr genießt die winterliche (Vor)Adventszeit,

Doro

118 Tage in Durban noch 248 Tage

 
 
 

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