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Winterzirkus

  • Autorenbild: Dorothea Sträßner
    Dorothea Sträßner
  • 12. Mai 2016
  • 9 Min. Lesezeit

Gefühlt habe ich mich erst gestern gemeldet, aber es wird mal wieder höchste Zeit für ein Update:


Dienstag, 26. April: Heute Vormittag war die Mobile Clinic hier in Kenosis. Die kommt regelmäßig, und jeder kann kommen um kleinere Sachen wie Impfungen, Schnupfenmedikamente etc. zu bekommen. Einen genaueren Blick konnte ich darauf nicht werfen, da unerwartet der neue Referent für Ökumene mit Schwerpunkt Südafrika des ELM, Michael Schultheiß, zu Besuch kam. Die Ankündigung ist irgendwo nicht weitergegeben wurden, sodass Sr Happiness nicht da war. So habe ich den Besucher dann durch Kenosis geführt und ein bisschen davon erzählt, wie es hier so läuft. Zwar hat Herr Schultheiß nichts mit dem Freiwilligenprogramm zu tun, aber wenn er schon mal da war, um die Partnerprojekte des ELM zu besuchen, hat er auch gefragt, wie es mir hier als Freiwillige so geht. Wirklich gut nämlich! Es war auch schön, mal mit einer deutschen Person, die selbst jahrelang in Afrika gelebt hat, über die Erlebnisse hier, interkulturelle Kommunikation etc., zu sprechen. Am Nachmittag haben wir dann angefangen, Geschenke für den Muttertag zu machen, heute ging es mit Karten und Papierblumen los.


Mittwoch, 27. April: Heute war hier in Südafrika Freedom Day, was ein Feiertag ist. Wir hatten das große Glück, durch die YMCA (CVJM) vermittelt kostenlose Karten für all unsere Kinder für den Brian Boswell’s Circus zu bekommen! Mit dem Kenosis-Bakkie und Mary-Ann’s und Don’s Bakkie und Auto sind wir also am frühen Nachmittag nach Pietermaritzburg gefahren. Der Zirkus hat eine richtig klassische Show geboten mit Clowns, Pferden, Kamelen, Artisten am Boden, am Trapez, an Seilen, mit einem Zauberer und mehr. Das schönste war aber zu sehen, wie fasziniert die Kinder von alldem waren. Es war für alle das erste Mal, so eine Artisten-Show zu sehen, sogar für Mutter Thandekile, die mit dabei war. Ein paar Kinder haben sogar gefragt, ob wir nicht nochmal hinkönnten. Den Feiertag haben wir also definitiv gut genutzt!

Donnerstag, 28. April: Abends nach der Arbeit sind Sr Lindeni, Sr Sthembi, Hlengiwe, Nomthandazo und ich in die Stadt gefahren, um Sr Happiness im Krankenhaus zu besuchen. Die Arme hatte nämlich eine Lungenentzündung! Inzwischen geht es ihr aber wieder gut.

Freitag, 29. April: Heute Mittag hatte ich meine erste Coaching-Sitzung mit unserem Manager André. Der ist eigentlich schon in Frührente und hat professionell Unternehmer, z.B. von Forstfirmen, gecoacht. Was bei diesem Drei-Monatsprogramm rauskommt, wird noch nicht verraten ;) Direkt im Anschluss ging es Mittags dann nach Hillcrest, zwischen Pietermaritzburg und Durban, wo Mary-Ann mich freundlicherweise hingebracht hat. Dort hat sie mich bei Chantal abgesetzt, die mich dann mit nach Umhlanga genommen hat, wo wir mit ihren Eltern das lange Wochenende verbracht haben. Zwar war der Maifeiertag am Sonntag, aber in diesem Fall wird der freie Tag in Südafrika am darauffolgenden Montag nachgeholt. Diese Regelung gefällt mir immer besser!


Samstag, 30. April: Heute war es leider viel zu kalt und regnerisch, um zum Strand zu gehen, und so waren wir erstmal im Kino. Danach habe ich kurz bei der Memulo-Feier einer Freundin in Durban vorbeigeschaut. Am Abend sind dann noch Verwandte Chantal mit ihren zwei Söhnen im Grundschulalter vorbeigekommen.


Sonntag, 1. Mai – Montag, 2. Mai: Pünktlich zum ersten Mai war es dann wieder sonnig, und so konnten wir zwei herrlich entspannte Tage am Strand verbringen.

Dienstag, 3. Mai: Heute Abend kam der ELCSA-NT Bischoff, Horst Müller, zur Hayfields Kirche, um das neue Diskussionspapier der Kirche bezüglich von Homosexualität vorzustellen. In Auftrag gegeben wurde dieses, weil nicht klar war, ob in der ELCSA-NT denn homosexuelle Pastoren eingestellt werden dürfen. Die Ergebnisse der Studienkomission hat Bischoff Müller dann vorgestellt, woraufhin es eine Diskussion mit den Gemeindemitgliedern gab. Was genau denn dieses Diskussionspapier besagt, lest ihr unten

Mittwoch, 4. Mai: Heute Abend war ich zunächst mit Petra (Röhrs, Pastorin) bei der Einweihung des neuen Care Centres der Hayfields Kirche, einer Senioren-Pflegeeinrichtung. Anschließend ist das Durchschnittsalter der anwesenden Leute deutlich gefallen, wir sind mit der Young Adults Group in’s Kino gegangen um „Free State“ zu gucken. Dieser südafrikanische Film spielt 1979, also Mitten in der Apardheitszeit in Memel, Provinz Free State (damals Orange Free State) und dem nicht weit entfernten Newcastle, Natal (heute KwaZulu-Natal). Eine weiße Frau und ein indischer Mann verlieben sich, was strikt verboten ist. Inder durften sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht einmal mehr im Free State aufhalten, und das ist, wie ich ja schonmal erwähnt hatte, je nach Jahreszeit schon zwischen 17 und 19 Uhr. Zwar war der Film stellenweise etwas kitschig, es war aber auch interessant auf diese Weise noch eine kleine Geschichtsstunde zu bekommen.

Donnerstag, 5. Mai: Der heutige Himmelfahrtstag ist in Südafrika eigentlich kein gesetzlicher Feiertag, viele Leute nehmen sich aber mit Hinweis auf ihren Glauben aber trotzdem frei. So hat es auch die Mehrheit der Lehrer gemacht, sodass heute weder die Kindergartenkinder kamen, noch unsere Kinder bis auf zwei zur Schule gegangen sind. Mary-Ann ist also schon vormittags gekommen und wir haben mit den Kindern die Geschenke für den bevorstehenden Muttertag fertig gemacht, danach bin ich noch mit ihr erst zu einer Nachbarin, dann zu Taylors selbst gefahren.

Freitag, 6. Mai: Nach der Arbeit bin ich heute mit André mitgekommen, um über das Wochenende seine Familie im nahegelegenen Hilton zu besuchen. Und da ist auch gleich ein Phänomen aufgetaucht, was ich seit ca. September nicht mehr erlebt hatte: Load shedding, juhu! Seit morgens um vier bis Samstagmorgen um zwei Uhr gab es keine Elektrizität. Da ist ein traditioneller Braai doch auch gleich noch schöner, wenn man hungrig ist! Gerade heute wäre es auch ganz günstig gewesen, für die kleine Heizung Strom zu haben, denn es wird vor allem nachts inzwischen empfindlich kalt. Bis zu 8°C kann es jetzt runtergehen, selbst wenn tagsüber noch so 20-25°C erreicht werden. Das schlimmste daran ist, und ich kann es nicht oft genug sagen, dass es hier keine eingebauten Heizungen, keine isolierten Wände und keine doppelt verglasten Fenster gibt, sodass es drinnen immer fast die gleiche Temperatur hat, wie draußen. Immerhin ist hier ja schon quasi November!

Samstag, 7. Mai: Nach einem kurzen Einkauf sind André, seine Frau Anne und einer ihrer Söhne, Anton, mit mir zum Hilton College gefahren. Dieses für südafrikanische Verhältnisse richtig alte Jungeninternat (gegündet 1872) ist eine der renommiertesten Eliteschulen des Landes, und bei der Tour über das Gelände fühlt man sich an ähnliche Schulen aus Großbritannien wie Eton erinnert. Neben „normalen“ Schulanlagen wie Sportplätzen, Laboren, Bibliotheken etc. gibt es dann aber auch gleich ein ganzes Game Reserve für die ca. 500-600 Schüler. Aufgrund des schlechten Wetters gab es dann einen gemütlichen Tag bei Boshoffs zuhause wo Rugby gucken natürlich nicht fehlen durfte (Die Sharks aus Durban haben gewonnen!). Was für mich besonders schön war, war endlich mal wieder Klavier spielen zu können. Ich bin inzwischen zwar etwas eingerostet, aber die Vorfreude, mein eigenes Klavier in ein paar Wochen in Deutschland wieder zu haben, ist neu entflammt.

Sonntag, 8. Mai: Nach dem Gottesdienst in der methodistischen Kirche, wo André mit in der Worshipband gespielt hat, kam dann seine Mutter zu Besuch und es gab ein britisches Muttertagsessen mit Roast Beef, da Anne aus Großbritannien stammt. Später habe ich dann auch noch mit meiner Familie geskypt, die den 80. Geburtstag meiner Oma gefeiert haben.

Dienstag, 9. Mai: Nach einigen Wochen Pause war ich heute wieder mit den Schwestern beim Chor, der bald an einem Wettbewerb teilnehmen wird. Es macht richtig Spaß, mal wieder „anspruchsvollere“ Stücke zu singen!

Thema #29, Deutschland vs. Südafrika, ein Banalitätenvergleich: nun geht es strammen Schrittes auf die Heimreise zu (keine elf Wochen mehr), und ich denke es ist an der Zeit, die kleinen (Un)Annehmlichkeiten Südafrikas aus deutscher Perspektive zusammenzufassen. Dabei gebe ich absolut keine Gewähr für Vollständigkeit, da mir wahrscheinlich nach dem ich „Veröffentlichen“ geklickt habe, noch fünf weitere Sachen einfallen.

- Biltoooong! (getrocknetes und gewürztes Rinderfleisch) VS Gibt es in Deutschland nicht. Aber so ein Döner wäre schon mal schön….

- Das britische System von zwei Wasserhähnen, einem mit Kalt- und einem mit Warmwasser. Da kann man dann teilweise schon eine Wissenschaft draus machen, die richtige Temperatur einzustellen. VS Ein gemeinsamer Wasserhahn für Kalt- und Warmwasser

- Die Sonne geht im Winter „erst“ gegen 17 Uhr, im Hochsommer dafür aber auch „schon“ um 19 Uhr unter, wodurch sich die Tage das ganze Jahr lang relativ kurz anfühlen, siehe nächster Punkt. VS Kurze Winter- und lange Sommertage

- Eis ist meist Wassereis, Magnum etc. „Mozart“ bietet quasi-italienische Eiscreme an, die dann aber doch künstlicher schmeckt und härter ist als ein Eis aus der Eisdiele. VS Italienische Eiscreme

- Es ist gar nicht unüblich, eine Kaltwassermaschine zu haben. Da würde meine Mama sagen: „Das wird doch gar nicht richtig sauber!“. Selbst bei vielen anderen Maschinen gibt es nur die Wahl von „cold“, „hot“ oder beidem zusammen. VS Immer Waschmaschinen mit einstellbarer Temperatur

- Fahrradfahren wird hier eher als Sport angesehen, Radrennen oder Mountainbiking zum Beispiel. Das Fahrrad als normales Verkehrsmittel zu nutzen wäre bei den vielen Hügeln auch recht anstrengend. VS Fahrrad fahren zur Schule, zum Einkaufen etc.

- Großzügigkeit – wer kann, teilt sein Essen, gibt Mitfahrgelegenheiten etc. VS Bei genauerem Nachdenken sind Deutsche denke ich nicht weniger großzügig, man ist nur als Freiwillige in einem fremden Land mehr darauf angewiesen, als mit seinen Eltern zuhause

- Heißer Sommer, milder Winter – und immer viel Sonne VS Sehr stark schwankendes Wetter – von Schnee bis Strandwetter. Und Sonnentage werden hier nicht für selbstverständlich genommen.

- Kino für 2-3€ VS Es geht, wenn ich mich nicht irre, erst bei 4-5€ los…

- Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen treffen und ihre Kultur ein bisschen kennenlernen (Afrikaans, englisch, Zulu, Xhosa, Inder…) – und bewusst über die Kultur identifizieren und identifiziert werden. VS In Deutschland gibt es definitiv vrschiedene Kulturen – gerade seit der Flüchtlingskrise nicht abzustreiten – aber die meisten sind dann doch Deutsch oder sehr deutsch geprägt. Man geht auch mit einem viel geringeren „kulturellen Bewusstsein“ an Begegnungen heran.

- Minibustaxis, deren Route und groben (nicht reglementierten) Rhythmus man kennen muss. Die aber nicht alle Orte abdecken und teilweise gefährlich sind. Dementsprechend kann es auch schwierig sein, zu Langstreckenverkehrsmitteln wie Fernbussen zu kommen. VS Öffentlicher Nahverkerh: Busse, U-Bahn… (mit Plan)

- Nach Sonnenuntergang einfach mal rausgehen ist hier wegen der Sicherheit meist nicht. Man muss am besten mit Auto und mehreren Leuten unterwegs sein und genau aufpassen, wo man hingeht. Im Allgemeinen ist man im Dunkeln meist zuhause, der Alltag endet früher. VS Draußen sein im Dunkeln/nachts – beispielsweise spät einkaufen, einen Sommerspaziergang nachts…

- Nachfragen nach meiner deutschen Kultur VS Ich glaube, wir sind es aufgrund unserer eigenen, sehr homogenen Kultur, einfach nicht so gewohnt, mit Menschen anderer Kultur umgeben zu sein. Vielleicht fragen wir deshalb nicht so viel nach – ich persönlich habe Zulubekanntschaften viel mehr nach ihren Festen etc befragt, als ich es je mit Türkischstämmigen, mit denen ich jahrelang zur Schule gegangen bin, gemacht habe.

- Offenheit – es ist sehr leicht, mit Leuten hier in’s ehrliche Gespräch zu kommen VS Verschlossenheit – inzwischen denke ich aber, Deutsche brauchen für die Kontaktaufnahme einfach mehr Zeit, dafür sind die Beziehungen dann häufig tiefer

- Steamed bread (was ich leider bisher nur selten bekommen habe) VS Hunderte verschiedene Brotsorten, Vollkorn, Roggen… und nicht immer nur pappiges Toastbrot. Das vermissen gefühlt 90% aller Deutschen im Ausland.

- Stundenlange Zulugottesdienste mit viel Gesang, Aufstehen, langer Liturgie… VS Einstündige Gottesdienste – die definitiv besser einer normalsterblichen Aufmerksamkeitsspanne entsprechen – bei denen zwar auch einige Lieder gesungen werden, aber kurz und meist im Sitzen

- Viel Eintopf, mit Rind oder Huhn, Kartoffeln, Gemüse… und dann auf Reis, Pap (Maisbrei) o.ä. Das ganze ist meist lecker gewürzt, doch war für mich das viele Knochenpulen sehr gewöhnungsbedürftig

- Viele Burger in Restaurants, die seeeehr lecker sind, mit sehr herzhaften Patties (McDonald’s muss erstmal vergeblich auf mein Geld warten, sorry)

Wahrscheinlich liegt es an der weniger ausgedehnten Rinderzucht, aber die Burgerkultur ist in Deutschland dann doch vergleichsweise mittelmäßig ausgeprägt

- Whispers – knusprige kleine Gebäckkugeln in Schokolade VS Milkaaaaa!!!! Die wird hier zwar von Zeit zu Zeit auch importiert, Schokolade im allgemeinen ist aber etwas teurer

- Zam-Buk (Lippenbalsam, den man aber auch normal auf die Haut auftragen kann) VS Labello – gibt’s in Südafrika auch, riecht und schmeckt aber nicht so schön nach Minze!

Thema #30, Homosexualität und die ELCSA-NT: Zwar ist es keine geltende Richtlinie, aber die Ergebnisse des Diskussionspapiers (komplettes Dokument hier) können doch wohl allgemein etwas über die Position dieser Kirche zum Thema Homosexualität aussagen. Dass sich überhaupt offen mit dem Thema auseinandergesetzt wird, ist laut Bischoff Müller keine Selbstverständlichkeit. Bei einer afrikaweiten lutherischen Konferenz sei es schon zu Unruhen gekommen, weil das Wort „Homosexualität“ in den Mund genommen wurde, um anzukündigen, dass es nicht auf der Tagesordnung stehe. Das Fazit des Diskussionspapier ist aber nun im Groben Folgendes: Bei der Auslegung der Bibel in lutherischer Tradition haben Worte, die Jesus selbst gesagt hat, als richtig zu gelten. Alle anderen Passagen müssen anhand von Jesus-Aussagen, gesundem Menschenverstand und Wissenschaft geprüft werden. So können alttestamentarische Aussagen, man solle seine Feinde bis auf den letzten niedermetzeln, nicht mehr wahr sein, da Jesus ja zur Friedlichkeit aufruft. Mit diesem Hintergedanken wurde an die Bibelstellen gegangen, die von Homosexualität handeln. Diese werden gerne als Argument herangezogen, dass Homosexualität eindeutig eine Sünde ist. Interessant fand ich, dass diese Stellen anscheinend nie Homosexualität alleine, sondern „abweichlerische“ Verhaltensweisen zusammengefasst verurteilen. Dies Passagen in Levitikus stehen auch nicht weit von Passagen, die einem verbieten, Schweinefleisch zu essen oder die Haare zu schneiden. Im Endeffekt kam heraus, dass laut der Bibel Sexualität an sich etwas Positives ist, solange sie nicht missbraucht wird. Da Homosexualität wissenschaftlich bewiesen angeboren ist, trifft dieses nicht zu und so soll die sexuelle Orientierung kein Kriterium für die Auswahl von Pastoren in der ELCSA-NT sein.

So weit von mir – ihr seht mir wird nicht langweilig! Bis zu meiner Heimreise sind es keine zwölf Wochen mehr und langsam freue ich mich auch schon, dann Ende Juli wieder nach Hause zu kommen, auch wenn ich die verbleibende Zeit noch voll ausnutzen werde.

Bis bald, Doro

289 Tage in Südafrika noch 76 Tage

 
 
 

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