Zurück daheim
- Dorothea Sträßner
- 19. Aug. 2016
- 7 Min. Lesezeit
Zuhause haben mich einige unvorhergesehene Verpflichtungen davon abgehalten, euch früher den versprochenen Abschlusseintrag online zu stellen, doch nun ist er hier endlich. Und auch mein letzter Rundbrief ist seit einer Weile draußen, den ihr euch hier noch einmal durchlesen könnt, genauso wie den ersten und zweiten.
Ein letztes Mal viel Spaß beim Verfolgen, wie es mir auf der anderen Halbkugel so ergangen ist:

Donnerstag, 14. Juli: Mit ein paar Ausbesserungen und letzten Details haben Nomonde, Philasand, Asanda, Nadin und ich heute erfolgreich unsere Wandmalerei abgeschlossen. Die Mädchen waren mächtig stolz auf sich und ich auch auf sie - so ein Projekt mit bleibendem Ergebnis auf die Beine zu stellen, war für uns alle etwas Besonderes.
Freitag, 15. Juli: Nach einer total schnell vergangenen Woche ist Nadin heute früh abgereist und Mary-Ann und ich haben mit den Kindern noch das Youth Centre durchgeputzt, um frisch in den neuen Schulterm starten zu können.

Montag, 18. Juli: Heute war der erste Schultag nach den Ferien sowohl für die Kenosis-Schulkinder als auch für die Kindergartenkindern. Bei letzteren hatte ich insgeheim gefürchtet, dass sie mich vielleicht ein bisschen vergessen haben, weil sie mich ja noch nicht so lange kannten wie die anderen Lehrerinnen. Das hat sich während der Draußenspielzeit aber als absolut unbegründet herausgestellt. Die Kinder kamen sogar von alleine zu mir, um mir die Lieder vorzusingen, die ich ihnen beigebracht hatte! Darunter war z.B. auch "Aramsamsam", was wir nur ein einziges Mal gesungen hatten. Das hat mich dann total gefreut und motiviert, in meiner letzten Woche mit den Kindern nochmal eine schöne Zeit mit ihnen zu verbringen. Und noch ein Highlight stand an: Die Kinder haben heute zum ersten Mal ein frisch gekochtes Mittagessen bekommen! Bisher haben sie vom Kindergarten zum Frühstück Porridge bekommen und mussten sich ihr Mittagessen selbst mitbringen. Da viele Kinder aber nur Lollies oder Chips mitbekommen haben, hat sich Kenosis erfolgreich um einen Zuschuss für eine tägliche frisch gekochte Mahlzeit beworben. Die Kinder haben auch richtig reingehauen und wir hoffen alle sehr, dass dies jetzt langfristig finanzierbar ist. Es ist der Wunsch der Kindergartenleitung, und auch von mir, dass die Kinder wenigstens in Kenosis einmal am Tag etwas essen was sie satt macht und gleichzeitig gesund ist. Heute gab es z.B. Reis mit Fisch und Butternut (Kürbis). Auf dem Bild, das die Kinder beim Tischgebet zeigt, kann man auf dem Boden und an den Pfählen auch den Verkehrsübungspfad sehen, die Pfadpfinder in den Ferien für die Kinder hergerichtet hatten.

Dienstag, 19. Juli: Heute kamen Besucher aus der Christusgemeinde Ibbenbüren aus Deutschland, die momentan eine Südafrikareise machen. Sie sind seit vielen Jahren große Unterstützer von Kenosis, und so habe ich für Sr Happiness und André gedolmetscht, als sie über den aktuellen Stand der Dinge berichtet haben. Neben regelmäßigen Geldspenden haben sie nun auch einige Sachspenden mitgebracht, wie etwa die teuren Faber-Castell Stifte oder Malbücher. Besonders über die Luftballons, die wir ihnen nach der Abreise der Gäste gegeben haben, haben sich die Kleinen total gefreut. Leider waren sie zu kurz da, um das noch mitzuerleben. Für eine Mitmach-Tanzshow der Kindergartenkinder musste aber Zeit sein: Video.
Mittwoch, 20. Juli: Heute haben die Kindergartenkinder und ich mit der Hilfe der Lehrerinnen das vor den Ferien begonnene Tischdeckenprojekt beendet, sodass der Kindergarten und ich jeweils eine Tischdecke mit den bunten Handabdrücken der Kinder, Lehrerinnen, von mir und nun auch Sr Happiness haben.
Donnerstag, 21. Juli: Noch ein letztes Mal: Noch einmal habe ich heute Hausaufgabenbetreuung angeboten. Es war ein sehr ruhiger Tag, aber das ist vielleicht zum Abschluss gar nicht das schlechteste bei dem Trubel, den einige der Kinder manchmal veranstalten können. Danach hat mich Mary-Ann abgeholt, um auch die Taylors bei einem Abendessen gebührend zu verabschieden. Ich habe dann auch gleich dort übernachtet, um nicht nachts wieder zurück zu müssen. Und als ob es nicht ein Tag mit genügend "letzten Sachen" war, gab es auch noch ein "load shedding". Der Stromausfall hat diesmal sogar mal wieder bis in die Morgenstunden gedauert.

Freitag, 22. Juli: Bei meiner letzten Sportstunde haben die Kinder heute wieder richtig gut mitgemacht. Ich hatte befürchtet, sie würden die neueren Spiele über die Ferien vergessen, aber nichts da, genauso wenig wie die Lieder! Einige Spiele haben sie sogar besser als sonst hinbekommen und sich beim Fangenspielen so in's Zeug gelegt, dass die Lehrerinnen und ich gescherzt haben, wir sollten mit den Kindern einen Rugby-Club aufmachen. Beim letzten Spiel kam dann auch Manager André dazu, um mich abzuholen. Bei einem Mittagessen in der Stadt schlossen wir das Coachingprogramm ab, das er mit mir gemacht habe. Er hat mir sehr geholfen, das Wandmalereiprojekt mit den Mädels, mein Gitarrespielen und meine Freizeitplanung auf die Beine zu stellen, sodass wir diese Abschlusssitzung sehr genießen konnten. Nachmittags ging es dann weiter mit der Abschiedsfeier, die Sr Happiness mit allen Kenosis-Bewohnern (s. Foto) für mich geplant hatte. Erst war wieder alles ein bisschen spät, was Sr H schon aufgeregt hat, aber letztendlich waren doch alle da und Sr H für die Leitung, Thandekile für die Mütter und Delisiwe für die Kinder haben ein paar liebe Abschiedsworte für mich gesagt. Vor allem aber haben die Kleinen sehr sehr viele Gesänge und Tänze für mich aufgeführt, worin ihr hier einen Einblick gewinnen könnt. Zum Abschluss gab es dann noch die obligatorische Kalorienbombe, diesmal Sahnetorte, Chips und Bonbons. Am Abend war auch das letzte Mal DVD-Abend im Youth Centre und mit Mary-Anns Hilfe konnten wir mit allen Kindern den Film "Dreamer" gucken und Rührei-Tomaten-Sandwiches essen, was zu meiner großen Freude so gut vonstatten ging wie nie.
Samstag, 23. Juli: Um bei meinem letzten Tag morgen genügend Zeit für vernünftige Verabschiedungen zu haben, was ich bei der Ausreise aus Deutschland nicht hatte, habe ich heute schon alles gepackt. Ein Glück hatte ich die vorigen Tage schon Alles grob durchsortiert, denn es war ein ganz schöner Akt, zu entscheiden was mit soll und was in Kenosis bleibt. Es ist auch wirklich viel dageblieben was ich den Nachfreiwilligen und den Kenosis-Bewohnern vermache, aber die "erste Wahl", vor allem meine ganzen Souvernirs und Geschenke, haben dann doch knapp in die 30kg gepasst. Was sich so alles anhäuft innerhalb eines Jahres, in dem man sich ständig denkt: "So bald bin ich ja nicht wieder hier". Danach habe ich dann noch gemütlich einen Abend bei den Sisters verbracht. Die haben glücklicherweise einen Kamin, denn dieses Wochenende war es wirklich a****kalt, ein paar Kilometer weiter gab es sogar Schnee und Eis, und das bei praktisch nicht isolierten Häusern.
Sonntag, 24. Juli: Wegen diesem Wetter war die Kirche im Eastwood Township heute morgen auch mehr als halbleer. Zu meiner Überraschung war der Gottesdienst hier zu großen Teilen auf Englisch, sogar die von Sr Happiness gehaltene Predigt, und so konnte ich diesmal richtig was mitnehmen, inkl. guten Wünschen für die Heimreise von Gemeindemitgliedern, die ich heute das erste Mal getroffen hatte.

Montag, 25. Juli: Der große Tag der Abreise ist gekommen. Die letzten Tage und Wochen waren zwar von Abschiednehmen und immer mehr Loslösung von Kenosis und Südafrika bestimmt - wirklich meinen Schlüssel abzugeben und mit Sack und Pack mit Sr Happiness und Hlengiwe in's Auto zu steigen war aber eine andere Sache. In strömendem Regen - die folgenden Tage sollte es noch Überschwemmungen und Ausspülungen geben - ging es dann zum King Shaka Airport wo es noch ein Abschiedsfoto mit meiner super-eleganten Reisefrisur gab. Danach war ich auch ziemlich schnell auf mich alleine gestellt, was mir schon ein mulmiges Gefühl gab. Nach letzten Abschiedsnachrichten an meine südafrikanischen Freunde, einer letzten Bar One and Banana Waffle bei Milky Lane und einer überteuerten Tüte Biltong für meine Eltern ging es dann in den Flieger und ich verließ Südafrika auf unbestimmte Zeit, und die Freiwilligenarbeit bei Kenosis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für immer.

Dienstag, 26. Juli: Die Flüge waren zwar erwartungsgemäß sehr anstrengend, aber nach ca. 19 Stunden bin ich in Frankfurt gelandet. Dort ging es an Empfangskommandos für andere Reisende vorbei zum Bahnhof, denn meine Eltern dachten, ich würde erst am darauffolgenden Tag kommen! Mit dem Zug bin ich also von Frankfurt über Stuttgart nach Pforzheim gefahren. Als ich da dann so im Zug saß, überkam mich irgendwie so ein merkwürdiges Gefühl. Das Zugfahren an sich war ganz gewöhnlich, obwohl ich mich seit über einem Jahr danach gesehnt hatte, endlich mal wieder in einem ICE zu sitzen. Aber irgendwas war an den Leuten komisch, nur kam ich absolut nicht darauf was... Irgendwann viel es mir dann wie Schuppen aus den Haaren - die waren ja alle weiß! Seitdem freue ich mich peinlicherweise über jede dunkelhäutige Person, die ich sehe, weil es mich ein Stück weit an mein "anderes Zuhause" Südafrika erinnert. In Pforzheim am Bahnhof hat mich dann ein Mitarbeiter aus der Klinik, wo mein Vater arbeitet, abgeholt, damit ich meine Eltern zuhause überraschen konnte. Ein Stück weit war das auch eine Überraschung für mich, da ich noch aus Niedersachsen ausgereist war und ihr neues Zuhause in Baden-Württemberg noch gar nicht kannte. Also rollerte ich fröhlich mit meinem Koffer und meinem Wanderrucksack auf dem Rücken die Auffahrt hinauf und klingelte an der Tür. Mein Vater kam da schon aus dem Garten und meine Mutter öffnete die Tür mit den herzlichen Begrüßungsworten: "Was machst Du den hier?".
Danke an jeden, der bis hierhin, zwischendurch mal oder vielleicht auch nur diesen Eintrag gelesen habt - ich habe mich wirklich über euer Interesse an meinem südafrikanischen Jahr gefreut! Jetzt geht es ganz bald für mich in's Medizinstudium, aber mal sehen, wann die Sehnsucht nach KwaZulu-Natal zuschlägt... Der gefürchtete re-entry Schock blieb (bisher) zwar aus, aber wenn ich in Gedanken bin, antworte ich immer nochmal gerne mit "Yes" oder noch viel lieber "Yebo", wenn jemand mich ruft. Viel Zeit zum Nachdenken habe ich auch noch gar nicht gehabt, da ich sehr beschäftigt war. Nach einem nicht immer einfachen Jahr ist es auch schon, wieder in Deutschland zu sein und ich freue mich unheimlich auf die Uni. Südafrika werde ich aber nie vergessen und möglicherweise auch mal wieder dorthin zurückkehren.
Tschüss und danke,
Doro
364 Tage in Südafrika seit 24 Tagen wieder in Deutschland
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